KÖ R P ER & S EEL E

VIELE PILLEN.

Das Schmerzmittel gegen Kopfweh, ein Pulver bei grippalem Effekt, die entspannende Pille bei Schlafprob- lemen: Wir nehmen oft Mittel, ohne nach- zudenken. Doch so kann es zu Wechsel- wirkungen kommen.

Vorsorge: Ein ziemlich langwei- liges Wort. Eines, bei dem man am liebsten gleich wieder auf- hört zu lesen. Aber tun Sie das nicht! Denn das, was es zusammen- fasst, ist für unsere Gesundheit enorm wichtig. Das sieht auch die Sozialver- sicherung so und bezahlt deshalb ab dem 18. Lebensjahr einen jährlichen Gesundheits-Check. Dabei wird man einmal von oben bis unten durchleuch- tet. Für rund 5,5 Millionen Menschen in Österreich ist diese Kontrolle emp- fohlen. Doch nur knapp eine Million nutzt das Angebot. „Dabei ist es das ide- ale Tool, um die Gesundheit zu erhal- ten“, betont der Allgemein-, Sport- und Ernährungsmediziner Dr. Robert Fritz. Vor allem in Zeiten von Covid-19, wo die Angst vor Ansteckung bei vielen präsent ist, ergibt das Sinn. Klar, das schützt nicht vor einer Infektion. Aber je besser der Gesamtzustand ist, desto wahrscheinlicher ist im Fall der Fälle ein milder Verlauf mit wenig bis keinen Langzeitfolgen. Doch wie hat man seine Gesundheit im Blick? Welche Parameter sollte man kennen? Klar ist: Die persön- liche Bestform ergibt sich aus einem Mix aus körperlichen und psychischen Fak- toren. Welche das sind und warum es so wichtig ist, darauf zu achten, haben wir mit vier Ärzten und einer Psychothera- peutin besprochen.
GRUNDBEDÜRFNIS. Der Schlüssel zu guter Gesundheit ist, wie könnte es anders sein, Bewegung. Die ist auch ein Grundbedürfnis der Menschen, was sich im Lockdown klar gezeigt hat. Aus- wertungen von Fitnesstrackern erga- ben, dass etwa in Italien und Spanien, wo die Menschen durch die totale Aus- gangssperre nicht ins Freie konnten, das Treppensteigen um bis zu 900 Pro- zent zugenommen hat. „Das heißt, die Leute sind wie verrückt im Stiegenhaus auf und ab gelaufen“, meint Dr. Fritz. Gut so, denn so banal es klingt, Sport bringt Verbesserung bei fast allen Beschwer- den. Die Muskelkraft bleibt erhalten, die Knochen bleiben stark, der Choles- terinspiegel sinkt, der Blutdruck nor- malisiert sich, Stressfolgen im Körper werden weniger, die Schlafqualität ist besser, und das Risiko von Herz-Kreis- lauf-, Lungen- und Krebserkrankun- gen nimmt deutlich ab. „Und immerhin sind rund 70 Prozent der Todesfälle auf eine dieser letzten Ursachen zurückzu- führen“, weiß Dr. Fritz. Grund genug, sich gleich einen Termin für die nächste Gesundenuntersuchung zu checken. »

WIE IST MEINE NÄHR- STOFFVERSORGUNG?

Einen Wert sollte jede Frau kennen: ihren Eisenstatus. Denn durch den monatlichen Blutverlust sind wir besonders mangelgefährdet. „Ist zu wenig Eisen da, reichen die Symptome von Müdigkeit über Haarausfall bis zu depressiver Ver- stimmung. Und das beeinträchtigt die Lebensqualität enorm“, betont Dr. Fritz. Wie es um das Spurenele- ment steht, zeigt ein Bluttest. Das
Ferritin, der Eisenspeicher im Körper, sollte bei mindestens 30 ng/ml oder höher liegen. Weitere Parameter, die es zu ergründen gilt: die B-Vitamine, Magnesium, Zink, Selen, Omega 3 und Vitamin D. „Denn das sind alles kleine Zahnrädchen im System, die das Werk am Laufen halten.“ Zur Substitution rät Fritz übrigens nur in Absprache mit dem Arzt: „Bitte nicht wahllos Nährstoffe einwerfen. Im schlimmsten Fall können Überdosie- rungen mehr schaden als nützen.“

HABE ICH ALLERGIEN?

Rund 20 Prozent der Österreicher haben eine Allergie. „Probleme mit Hausstaub, Tierhaaren, Pollen oder Nüssen sind den meisten bekannt, da ihre Symptome periodisch auf- treten und dadurch recht gut zuge- ordnet werden können“, weiß Dr.
Kiss. Schwieriger zu erkennen sind Intoleranzen und Unverträglichkei- ten, sogenannte Pseudoallergien. Symptome wie Juckreiz, Blähungen, Kreislaufprobleme sind oft recht unspezifisch oder können stark verzögert auftreten. Hier gilt: Genau beobachten und im Verdachtsfall zu einem Spezialisten gehen.

HABE ICH ALLERGIEN?

Rund 20 Prozent der Österreicher haben eine Allergie. „Probleme mit Hausstaub, Tierhaaren, Pollen oder Nüssen sind den meisten bekannt, da ihre Symptome periodisch auf- treten und dadurch recht gut zuge- ordnet werden können“, weiß Dr.
Kiss. Schwieriger zu erkennen sind Intoleranzen und Unverträglichkei- ten, sogenannte Pseudoallergien. Symptome wie Juckreiz, Blähungen, Kreislaufprobleme sind oft recht unspezifisch oder können stark verzögert auftreten. Hier gilt: Genau beobachten und im Verdachtsfall zu einem Spezialisten gehen.

MACHE ICH AUCH GENUG BEWEGUNG?

Das ist die ewige Frage. Dr. Robert Fritz beruhigt: „Es ist zu schaffen“, und verweist als Richtlinie auf die Empfehlungen der Weltgesund- heitsorganisation. „150 Minuten pro Woche sollen sich zumindest ausgehen. Das muss nicht das Hardcore-Training sein, auch zügi- ges Spazierengehen oder Radfah- ren passt. Treppensteigen zählt ebenfalls. Teilt man diese Zeit auf
sieben Tage auf, sind es nur gut 20 Minuten am Stück täglich. Da gibt es keine Ausrede mehr, das schafft jeder!“ Mehr ist natürlich immer gut, der Fonds Gesundes Österreich etwa empfiehlt bis zu 300 wöchentliche Minuten. „Die sollten sich auf viel lockere Ausdauer und zumindest zwei Einheiten Krafttraining auftei- len. Einmal sollte man auch richtig ins Schwitzen kommen. Das ist die mit Abstand beste Prävention für fast alle Zivilisationskrankheiten!“

WELCHE MEDIKAMENTE NEHME ICH?

Eine Tablette gegen Sodbrennen in stressigen Phasen. Ein pflanzliches Mittel gegen Zyklusschwankungen. Und ab und zu noch ein Schmerz- pulver. Auch viele grundsätzlich gesunde Menschen schlucken mehr oder weniger regelmäßig Medika- mente. Das Problem, das Dr. Kiss dabei sieht: „Es kann zu Wechsel- wirkungen kommen. Die Präparate können sich gegenseitig ver- stärken, aushebeln oder auch zu diversen Nebenwirkungen führen.“ Hat man dann vielleicht noch eine chronische Krankheit mit regelmäßi- ger Medikation, verliert man oft den Überblick. Dazu kommen frei ver- käufliche Präparate und Generika.

Ihr Rat deshalb: „Besprechen Sie alle Verschreibungen mit einem Ver- trauensarzt, und erstellen Sie einen Medikamentenplan. So behalten Sie für sich und andere Ärzte immer den Überblick.“

WIE IST MEIN CHOLESTERIN-STATUS?

Eines vorweg: Cholesterin ist nicht gleich Cholesterin. Wir haben ver- schiedene Arten, wie Ernährungs- mediziner Dr. Fritz erklärt: „Die zwei Hauptgruppen sind das HDL- und das LDL-Cholesterin. Niedrig sein muss das LDL. Denn das macht die Gefäße steif.“ Dann muss das Herz mehr pumpen, was wiederum den Blutdruck erhöht (s. o.). Neben Ver- anlagung und zu vielen gesättigten Fettsäuren in verarbeiteten Lebens- mitteln ist Stress ein massiver Cho- lesterintreiber. Mehr Bewegung und Entspannung sind deshalb wahre Wundermittel.

BIN ICH AUSREICHEND GEIMPFT?

Hand aufs Herz: Wissen Sie, wogegen Sie geimpft sind? Wenn nicht, lassen Sie am besten eine Titer-Bestimmung machen, um Ihre Antikörper zu kennen. Warum das wichtig ist? „Weil manche Impfungen wie Tetanus, Diphterie,
Keuchhusten oder FSME regelmäßig aufgefrischt werden müssen. Einige Infektionen können auch in späteren Jahren wiederkommen. Windpocken etwa können dann Gürtelrose verur- sachen. Dazu kommt, dass mit dem Älterwerden das Immunsystem schwächer wird“, betont Dr. Delia Kiss. Auf aerztekammer.at/impfen gibt es einen Überblick über die für Erwachsene empfohlenen Immuni- sierungen. Und die Expertin rät vor allem heuer zur Grippeimpfung: „Je weniger Menschen krank werden, desto weniger müssen ins Spital.
Damit bleiben die Betten für poten- zielle Covid-19-Patienten frei.“

GIBT ES KRANKHEITEN IN MEINER FAMILIE?

Wenn in Ihrer Familie bisher alle in hohem Alter ohne Beschwerden
entschlafen sind, dann ist alles gut. Aber das ist fast nie der Fall. „Die medizinische Vorgeschichte von Verwandten wie Eltern, Großeltern, Onkeln, Tanten und Cousinen ist deshalb wichtig, weil die Häufung eines Leidens auf eine ererbte Disposition dafür hinweisen kann. Das betrifft manche Krebsarten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder neurodegenerative Probleme wie Demenz und Alzheimer. In dem Fall wird man die Vorsorgeuntersuchun- gen engmaschiger gestalten und mit Lifestyle-Veränderungen gegensteu- ern. Das kann eine mögliche Erkran- kung hintanhalten“, betont Internis- tin Dr. Delia Kiss. Deshalb gilt: Fragen Sie nach zu Hause, besprechen Sie die Situation mit Ihrem Arzt, und gehen Sie zur Vorsorge! Denn das ist viel einfacher als die Therapie.

KENNE ICH MEINEN BLUTDRUCK?

Er tut nicht weh, aber er hat mas- sive Auswirkungen. Der Blutdruck. Warum? „Das Herz erzeugt mit jedem Schlag eine Druckwelle, die das Blut durch den Körper pumpt. Sind die Gefäße weich und elastisch, ist dieser Druck normal. Werden die Gefäße aber steif, etwa durch Arte- riosklerose, muss unsere Pumpe gegen einen höheren Widerstand arbeiten. Und das belastet Herz- muskel und Gefäße. Das ist wie
bei einem Gartenschlauch, durch den das Wasser ständig mit voller Kraft schießt. Irgendwann reißt er“, erklärt Dr. Robert Fritz. Unter 120/80 mmHg wird als medizinisch ideal eingestuft. Ab 140/90 müssen Maß- nahmen gesetzt werden. Gemessen wird übrigens in Ruhe. Bei Bewe- gung pumpt das Herz ja mehr. Also erst mal entspannen. Erkennt man eine dauerhafte Erhöhung recht- zeitig, kann man mit Ernährung und Bewegung oft gut gegensteuern.

KÖ R P ER & S EEL E

KONTROLLE. Zur
Vorsorge gehört unbedingt der jährli- che Besuch beim Gynäkologen, egal ob ein Problem vorliegt oder nicht. Abstrich, Tastbefund, Ultra- schall und Brustun- tersuchung geben einen Überblick.

Das ist zwar keine primäre Frage der Gesundheit, aber eindeutig eine des Wohlbefindens. „Derzeit ist der große Trend weg von den Hormonen. Da ist eine ausführliche Beratung besonders wichtig, denn wer auf Hormone verzichtet, muss sich der Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft bewusst sein“, betont Gynäkologin Lehner-Rothe. Beliebt bei allen, die langfristig ver- hüten wollen, ist die Kupferspirale. Sie wird im Normalfall gut vertra- gen. Ist ein Kinderwunsch absehbar, sind Kondome die beste Variante.
Am besten vor maximal sechs Mona- ten. Auch wenn alles gut scheint. Denn Karies gehört so schnell wie möglich behandelt, sonst droht langfristig Zahnverlust. „Es muss immer das Ziel sein, die eigenen Zähne zu erhalten. Fehlt einer, stört das die Kaufunktion. Der Magen leidet, aber auch Knirschen, Mus- kelschmerzen oder Rückenprob- leme können so entstehen“, warnt Dr. Siejka. Wurzelbehandlungen sind außerdem oft langwierig und belas- ten den gesamten Organismus. Also gleich Termin ausmachen!
An jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch, notierte Paracelsus im 16. Jahrhundert. Und das bestä- tigt auch Dr. Ewa Siejka. Vor allem Zahnfleischentzündungen, leicht erkennbar, wenn es schnell blutet beim Putzen, haben folgenschwere Auswirkungen auf den gesam- ten Organismus: „Jedes Mal beim Putzen gelangen die Bakterien in die Blutbahn, das schwächt die Abwehrkräfte permanent. Die Bak- terien könne sich an den Herzklap- pen ansiedeln, in den Nierenbecken oder den Gelenken. Und das erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Schlaganfall, Diabe- tes, Atemswegserkrankungen und sogar Frühgeburten. Die beste Pro- phylaxe: Regelmäßige Mundhygiene, je nach Bedarf ein oder zwei Mal pro Jahr. Und natürlich richtig putzen!

WIE OFT GEHE ICH ZUM GYNÄKOLOGEN?

Unbedingt einmal jährlich, betont Dr. Eva Lehner-Rothe. Und zwar sobald man sexuell aktiv wird. So erkennt man gefährliche Entwick- lungen rechtzeitig. Zur Routineun- tersuchung gehören Tastbefund von Gebärmutter und Brust sowie der PAP-Abstrich. Auf den legt die Gynä- kologin besonders viel Wert: „Vor- sorge hilft bei der Früherkennung. Aber mit dem PAP-Abstrich kann man definitiv Gebärmutterhals- krebs verhindern, weil man schon die Vorstufen behandeln kann.“ Lehner-Rothe empfiehlt den jährli- chen Ultraschall, auch wenn der oft extra verrechnet wird: „Denn Zysten oder Myome kann man nicht immer ertasten.“ Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Brustgesundheit. Das zweijährige Screening-Programm ist sehr erfolgreich. Bei unklaren Entwicklungen oder familiärer Vor- belastung kann der Arzt außerdem jederzeit überweisen.

WIE GUT SCHLAFE ICH?

Eine gute, erholsame Nachtruhe ist einer der wichtigsten Parameter für unser Wohlbefinden. Denn: „Da werden die negativen Ereignisse des Tages verarbeitet. Umgekehrt ist ein gestörter Schlaf ein klares Zeichen dafür, wenn einem das nicht gelingt“, weiß Psychotherapeutin Isabella Zeiner. Anzeichen einer Störung: „Wenn man über längere Zeit schwer ein- oder durchschlafen kann, längere Wachphasen hat oder über Wochen und Monate perma- nent müde ist. Überlegen Sie, woran das liegen könnte. Sind es körperli- che Gründe? Psychische? Oder eine Mischung aus beidem?“ Verschwin- det das Problem nach ein paar Wochen nicht, muss es auf jeden Fall abgeklärt werden, da sonst Immun- system und Gesundheit leiden. Abhilfe schaffen können Bewegung, gesunder Lifestyle, Verzicht auf Alkohol, bewusster Stressabbau und Entspannungsübungen.

ANAMNESE.

Was passiert nun bei diesem Termin? Herzstück ist neben der Kontrolle von Blutdruck, bestimmten Blutwerten und dem Ausfüllen eines Fragebogens zum persönlichen Life- style das Anamnese-Gespräch. „Ich überprüfe mit meinen Patienten ihre aktuelle Lebenssituation“, schildert Dr. Fritz, „frage die familiären Umstände und eventuelle Risikofaktoren ab, bespreche, welche Vorsorgeuntersu- chungen wann nötig sind. Kommen die Patienten regelmäßig zu mir, kann ich in den Befunden gleich eine eventuelle Veränderung zum letzten Mal erken- nen. Dann frage ich natürlich nach, was da dahinterstecken könnte, ob sich der Lifestyle gewandelt hat oder vielleicht das Stresslevel gestiegen ist. So ergibt sich ein gutes Gesamtbild, und man kann auf eventuelle Gefahren rasch reagieren.“

WIE STEHT ES UM MEINEN MEDIENKONSUM?

Zugegeben, es ist einfach und verführerisch. Doch der ständige Fluss von Bildern und Nachrichten macht etwas mit unserem Unterbewusstsein, wie Zeiner erklärt: „All die schönen Leben, die uns auf Social Media prä- sentiert werden, lösen automatisch eine Bewertungsspirale in uns aus. Nachrichten wiederum, gerade in Zeiten von Covid-19, können Unsicher- heit und Angst schüren.“ Ihr Rat: „Führen Sie bewussten, zeitlich begrenz- ten Medienkonsum ein. Und vor dem Einschlafen ist das Handy tabu.“

GLEICH ANGEHEN.

Besonders wich- tig dabei: Dass man nicht nur die Hard Facts abklopft, sondern die Gelegen- heit auch dafür nutzt, unspezifische Beschwerden zu besprechen. Sind Sie permanent müde und antriebslos? Fehlt Ihnen der Appetit? Haben Sie Schlafstö- rungen? Bringen Sie das zur Sprache. Die Ursachen dafür können von Nähr- stoffmangel, Entzündungen im Körper oder anderen organischen Problemen über Schlafmangel bis zu Dauerstress oder Depressionen reichen. Besprechen Sie das gleich, statt es auf die lange Bank zu schieben. Jetzt ist eine poten- zielle Lösung oft noch sehr einfach. PI A K RU CK E N HA U S E R ■